Emil Rittershaus                     Die Jugend

 

ihr, die als thöricht ihr die Jugend schmäht,

Und klagt, ihr fehl’ der Selbsterkenntnis Segen,

ihr kennt es nicht, des jungen Herzens Regen,

Und ihr verlästert, was ihr nicht versteht.

 

Ob ihr wohl jemals euren Schatten seht,

wenn ihr der Sonne fröhlich zieht entgegen?

Der Schatten geht vorauf auf euren Wegen,

Weil ihr vom Licht hinweggewendet geht.

 

Ihr schaut auf euren Schatten unverwandt;

Die Jugend aber schwört zur Freudensonne,

Sieht in der Welt ein Paradiesesland.

 

Die Jugend ist des Daseins Maienwonne,

Wo Traumgebilde durch den Busen schweben.

Das Herz muß blühen, soll es Früchte geben!

 

 

 

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Wenn auf die Sänger rings mein Auge schaut,

Fühl’ ich den Geist des Zornes sich mir nahn. –

Für selbstgeschaffne Schmerzen klagen laut

Die feigen Seelen rings das Schicksal an.

 

Die schöne Welt, zur Freude aufgebaut,

Als „arm“ verlästert sie der blinde Wahn

Der Schwachen, denen vor der Zukunft graut

Ob jenen Sünden, welche sie gethan.

 

Halb Knecht der Lust und halb des Schmerzes Knecht

Sind diese Afterdichter, dies Geschlecht,

Das gar zu gern noch möcht’ das weise heißen.

 

Bevor mein Lied erklingt in ihrem Klang,

Bevor ich singe ihren feigen Sang,

Will ich entzwei der Harfe Saiten reißen!

 

 

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Nicht schelt’ ich Klagen um den wahren Schmerz;

Kein ächter Dichter jauchzt zu allen Zeiten!

Es schenkt der Welt sich ganz ein Dichterherz;

Die Freuden wie die Leiden giebts en Saiten.

 

Der Leichtsinn läßt nur immerfort den Scherz,

Den Ton des Jubels von der Lippe gleiten.

Steigt doch die Lerche selbst nicht himmelwärts,

Wenn Winterstürme durch die Fluren schreiten!

 

Den Schmerz nur hass’ ich, der, ein Komödiant,

Sich allenthalben spreizt, damit hervor

Er rings der Weichen Mitleidsthräne presse.

 

Ich hass’ den Schmerz, das Leid im Prunkgewand,

Das „sich behagen in dem Trauerflor“

Und die beliebte „intressante Blässe“!

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Nicht jeder kann den edlen Wein vertragen;

Nicht mancher liebt den sang, en kühnen, freien.

Gieb Zuckerwasser süßer Tändeleien,

Denn wiss’: Die Zeit hat einen kranken Magen.

 

In Moll-Accorden lern’ die Harfe schlagen,

Soll ´Dir Dein Streben heute wohl gedeihen.

Blas Schäferliedchen fein auf der Schallmeien

Und einen Lorbeer wirst Du Dir erjagen!

 

Versteh’s Salonfigürchen fein zu schnitzen,

Versteh’s den Mund zu süßem Wort zu spitzen,

Und man erklärt Dich heute für den Rechten.

 

Besing’ den Mond und auch die frommen Sterne.

Dir wird der Kranz! – Ich lass’ den Kranz Dir gerne,

Den hinterm Theetisch zarte Damen flechten!

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Als Kraftgenie kannst auch Du reussiren.

Drisch nochmals ab die alten Freiheitsphrasen;

Sing’ von der Kriegstrompete wildem Blasen,

Und sieh, Du wirst die Halberwachs’nen rühren.

 

Bartlose Knaben werden mit sich führen

Dein Liederbuch, der Schrecken frommer Basen,

Und hinterm Bierglas wird poetisch rasen

Der Brandfuchs und die Verse proklamiren.

 

Er nennt Dich „ein bedeutendes Genie,

Deß Ruf das Weltall nicht umsonst vernommen;“

Er flicht den Lorbeer gerne Dir zum Preise.

 

So wird es bleiben, deutscher Dichter, sieh’,

Bis der Herr Fuchs zu Amt und Brot gekommen,

Dann wird er zahm. – Das ist so deutsche Weise!

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Gen Himmel weist die Welt die Frömmelei

Der Hosiannadichter, die da heute

Auf allen Märkten psalmodieren frei,

Die von der Kirche hochgepries’nen Leute!

 

Aus allen düstern Winkeln zieht herbei

Die Eulenschaar, die stets den Morgen scheute.

O Schmach und Schande, daß der Melodei

Der Amaranther noch man Weihrauch streute!

 

Ihr Frömmler, statt hinauf zum Sternenzelt

Den Mann zu weisen, lehret ihn vollbringen

Treu seine Pflicht auf dieser Erdenwelt.

 

Der frische Muth, die frische Thatenkraft

Hienieden schon den Himmel sich erschafft,

Statt sich hinauf zu ihm im Traum zu schwingen.

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Den Reim, die Sprach’ ich fast im Spielen

Beherrschen lernen schon in Jugendtagen,

Doch mag ich nimmer zum Ergötzen schlagen

Die Harfe nur! Ich ring’ nach andren Zielen!

 

Ich bin zu stolz, um nach dem Preis zu schielen,

Den in der Hand des Alltags Weisen tragen.

Auch schuf’s mir nie ein sonderlich’ Behagen,

Wenn meine Reime Hans und Kunz gefielen.

 

Zuerst gilt mir der Mann, dann der Poet!

Wo für das Glück der Menschheit wird gestritten,

Da soll mein Wort und meine That nicht fehlen!

 

Mein Platz bleibt in der Freiheitskämpfer mitten!

Wo’s um der Zukunft höchste Güter geht,

Da soll mein Sang die Brust mit Muth beseelen.

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Ich seh’ mein Volk, mein theures Vaterland

Mit stillem Gram aus tausend Wunden bluten;

Die Armuth ächzt, gepeinigt von den Ruthen,

Die rastlos schwingt der Sorge dürre Hand.

 

Der Trug der Pfaffen schlau die Netze spannt;

Despotenwillkür will die Geister knuten. –

Ihr Herzen, die ihr brennt in edlen Gluthen,

O, träumt nicht thatenlos bei buntem Tand!

 

Zum Volke geht, und zu den rechten Wegen

Führt die Verirrten, helft den Armen, Schwachen!

Das schönste Glücklichsein heißt Glücklichmachen!

 

Und mag der Kaltsinn höhnend uns verlachen,

Auf unsre Gruft wird einst die Kränze legen

Die Liebe doch – und unser Thun ist Segen.

 

 

 

 

Emil Rittershaus                    

 

Wer zu der Sonne wandte sein Gesicht,

Wird manche Blume unbewußt zertreten.

Ein Schwärmer und ein Träumer bin ich nicht!

Das Wort der Freiheit lehrt die Zeit mich beten.

 

Für die Empfindler schrieb ich kein Gedicht,

Die scheu sich duckten, als die Stürme wehten;

Doch, ob die Schaar auch nie mir Kränze flicht,

Die Freiheit schlägt zum Ritter den Poeten! –

 

Wol mag ich fallen in des Sturmes Wehen.

Weß Blick empor zum blauen Aether fliegt,

Der kann den Stein im Wege nimmer sehen.

 

Ob Tausend auch sich still in’s Joch geschmiegt,

Ich will im Kampf des Lichtes muthig ringen

Und will der Freiheit meine Lieder singen!

 

 

 

 

Emil Rittershaus                     Die große Zeit

 

Die große Zeit, sie gleichet dem Vulkan.

Hoch auf gen Himmel schleudert er den Stein;

Der Gluthdurchzuckte glaubt ein Stern zu sein

Und mitzukreisen in der Sonnenbahn.

 

O sieh, wie strebt er leuchtend himmelan! –

Vertrau’ ihm nicht und seinem Flammenschein!

Bald stürzt er sengend in das Land hinein,

Verderben bringend Wald und Wiesenplan. –

 

Die Steine sind die schmutz’gen, niedern Seelen,

Die mit dem Lichte scheinbar sich vermählen,

Aus denen aber nur die Selbstsucht schreit.

 

Die sä’n Verderben aus in alle Lande!

Sie waren stets der großen Zeiten Schande

Und auch der Fluch der letzten, großen Zeit!

 

 

 

Emil Rittershaus                     Zuerst der Sturm und dann der Regenbogen

                                                               (Den Freunden des ewigen Friedens gewidmet)

 

Nur „Frieden, Frieden!“ tönet eure Weise,

Indeß die Nacht, die alte, grimme Hyder,

Umschlingt auf’s Neu’ die armen Völker wieder.

Wir wollen Frieden nicht zu jedem Preise!

 

Was soll uns heut’ das Friedenslied, das leise?

Bei Gott, der Geist der Zeit will andre Lieder!

Es kommt von selbst der Lenz in’s Land hernieder,

Wenn frei die Flur vom starren Wintereise.

 

Wir konnen heute nicht um Frieden beten;

Die Freiheit hat der Frevler Schaar gesteinigt

Und frech die junge Saat im Keim zertreten.

 

Wann kommt ein Wetter, das die Lüfte reinigt?

Wann kommt der Sturm, der rechte Sturm geflogen?

Zuerst der Sturm und dann der Regenbogen.

 

 

 

 

 

Emil Rittershaus                     Bei den Leichensteinen

 

Seh’ ich ein Kreuz auf einem Grabe stehen,

Seh’ ich die Kränze, die man drauf gelegt,

So muß ich immer denken, schmerzbewegt:

Ich hab’ des Menschenlebens Bild gesehen.

 

Der Kranz wird welk, und, wenn die Winde wehen,

Wird Blatt und Blüthe schnell hinweggefegt.

Das Schmerzsymbol, von Stürmen nie geregt,

Sieht Jahr um Jahr an sich vorübergehen. –

 

Ein großes Kreuz, das ist das Menschenleben!

Die Kränze welken, all’ die blüthenreichen,

Die Lieb’ und Freundschaft uns zur Freude weben. –

 

Wenn ihr mich tragt dereinst zum Feld der Leichen,

Mögt Kreuz und Kranz ihr meinem Grabe geben.

Nach Kränzen rang ich, Kreuze gab das Leben!

 

 

 

 

 

 

 

 

Emil Rittershaus                     Jetzt

 

Ob jemals wird die heil’ge Stunde schlagen,

Wo wie ein Traum die düstre Nacht entweicht?

Die Völkerschaar, die jetzt dem Blick sich zeigt,

Sie fühlt sich selig kann sie Schleppen tragen!

 

Wird’s besser werden in der Zukunft Tagen?

Ob je die Welt aus ihrem Schlamme steigt?

Ob sich erhebt, was heute kriecht und schleicht?

Das möcht’ ich grollend wol die Sterne fragen!

 

Ich sah im Geist ein Weib mit Engelsmienen.

Das war die Freiheit, war die Hohe, Hehre!

Doch, wird mein Traumbild Wirklichkeit auf Erden?

 

O, redet heut’ mir nicht von Völkerehre!

Die heut’ge Welt, die sucht ihr Heil im Dienen,

Und statt der Freien schau’ ich Sclavenheerden.

 

 

 

 

 

Emil Rittershaus                     Lieder eines Pessimisten

 

I.

 

Ich hör’ nach Gold die Schaar der Krämer fragen,

Und jener ringt nach Ruhm und hohen Ehren.

Der Denker dringt in aller Weisheit Lehren

Und Segen, hofft er, soll sein Streben tragen.

 

Der Träumer klebt am Tande alter Sagen

Und will dem Denken jedes Recht verwehren;

Ein Jeder sucht den Andern zu bekehren,

Doch „Frieden“ heißt das Ziel, wonach wir jagen. –

 

O Welt, Cleopatra, du falsches Weib!

Im Wein der Lust zerging die Perle Frieden;

Das Glück der Erde ist ein kurzer Rausch!

 

Tod gegen Leben, ist’s ein schlechter Tausch? –

Ich wollt’, der Pfaffe säng’: „Begrabt den Leib!“

Und ich wär’ todt und von der Welt geschieden.

 

 

II.

 

Die Welt ist schön und blumenreich das Leben!

O, wirf sie weg, die düstern Schmerzgedanken!

Es bricht der Herbst wohl tausend Blüthenranken,

Doch wird der Lenz dir tausend and’re geben.

 

Noch giebt es Weiberlippen, giebt es Reben,

An denen volle, saft’ge Trauben schwanken.

Ein böser Dämon treibt mich armen Kranken

Den Sang der Klagen weinend zu erheben! –

 

Sei freudig, doch bedenke: Nicht zu tief

Laß deinen Blick in’s Meer herniedergleiten,

Das man die Welt, das man die Menschheit nennt.

 

Im Spiegel trägt’s des Himmels blaue Weiten,

Doch giebt der Freude bald den Scheidebrief,

weß Aug’ im Grund den kahlen Fels erkennt.

 

 

III.

 

Vor’m Tode sollst du Keinen glücklich preisen!

So hat’s geklungen einst von Solons Munde.

Man weiß nicht, was da bringt die nächste Stunde,

So deuten sie den Spruch des großen Weisen.

 

Es läßt der Gram, der Schmerz die Locken greisen. –

Als glücklich preis’ im kalten Grabesgrunde

Die Leichen, denn sie geben keine Kunde,

Nicht Widerspruch in der Lebend’gen Kreisen!

 

Wem hat das Glück en reinen Kelch geboten?

Wem ward sein schönstes Träumen je zur Wahrheit?

Es lügt der Hoffnung holder Rosenschimmer!

 

Habt je ihr in des Glücks vollkommener Klarheit

Gelebt nur eine Stunde? frag’ die Todten!

Die Schädel grinsen, sprächen gerne: „Nimmer!“